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Böhm & Collegen


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August 2015: Rechtsstreit gegen Autohaus


Landgericht Landshut
Az 52 O 1857/13
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt Böhm Bertram, Untere Hauptstraße 2, 85386 Eching - Kläger-
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Böhm & Collegen, Untere Hauptstraße 2, 85386 Eching, Gz.: 1076/13
gegen
Autohaus Altermann GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Sonneberger Straße 176, 98724 Neuhaus
- Beklagte -

wegen Rücktritt vom Kaufvertrag

erlässt das Landgericht Landshut - 5. Zivilkammer - durch die Richterin am Landgericht
als Einzelrichterin am 20.08.2015 auf Grund des Sachstands vom 10.08.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kaufpreis in Höhe von 35.670,00 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 178,35 € je 1000 gefahrene Kilometer an die GMAC Leasing GmbH, Stahlstraße 34, 65428 Rüsselsheim zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des PKWs Opel Zafira, Fahrgestell-Nummer W0LPE9EE3D2039666.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 35.670,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Wandlung eines PKW-Kaufvertrages geltend.
Mit Leasingvertrag vom 25.1.2013 leaste der Kläger den streitgegenständlichen PKW Opel Zafira Tourer Innovation 1,6 CNG ecoFlex von der Fa. GMAC Leasing GmbH, die ihrerseits dieses Fahrzeug bei der Beklagten zum Preis von 35.670,00 € erworben hat. Im Leasingvertrag sind sämtliche Ansprüche des Käufers auf den Leasingnehmer, somit den Kläger übertragen worden. Anlässlich des Genfer Autosalons 2012 wurde durch die media.opel.com zum streitgegenständlichen Fahrzeugmodell im Internet einen Bericht veröffentlicht, der folgende Anpreisung enthält:

"- vollwertiger Siebensitzer mit 530 km Aktionsradius im Erdgasbetrieb
- innovatives Leichtbau-Tanksystemmit 25 kg Gasvorrat"

Das Fahrzeug wurde am 16.1.2013 auf den Namen des Klägers zugelassen. In der Folgezeit rügte der Kläger eine fehlende Funktionalität der Bluetooth Verbindung zum Handy, der Einstellungsmöglichkeiten des Sitzes und ein unzureichendes Volumen des Gastanks. Mit E-Mail vom 8.7.2013 lehnte die Beklagte die Mängelgewährleistung endgültig ab.

Der Kläger trägt vor, das Eigentum am streitgegenständlichen PKW liege bei der Leasing-gesellschaft, nicht aber beim Gesamthandsvermögen der Rechtsanwaltskanzlei, für die der Kläger im Rahmen einer actio pro socio klagen könne. Im Übrigen sei das Fahrzeug bis jetzt im Wesentlichen privat genutzt worden. Das Bluetooth System weise im Gegensatz zum Vorgängermodell eine unzureichende Speicherkapazität von nur 1000 Adressen auf, auch könne vom Lenkrad nicht mehr Gesprächsannahme, Gesprächsbeendigung, Listenauswahl, Auswahl der Rufnummer und Namen aus dem Telefonbuch und Eingabe von Rufnummern bedient werden. Der Fahrersitz und die Kopfstütze könnten nicht auf eine für den 1,82 m großen und 82 kg schweren Kläger optimale Sitzposition eingestellt werden. Die Sollbeschaffenheit eines Sitzes bestimme sich durch die übliche Nutzbarkeit, die vorliegend nicht gegeben sei. Das Tankvolumen des Gastanks betrage nicht das im Prospekt vom 1. August 2012 und in der Werbeaussage im Internet vom 30. Juli 2014 (Anlage K 29) angegebene Tankvolumen von 25 kg mit einer Reichweite von 530 km. Auf eine beschränkte Betankungsmöglichkeit von 80% sei nicht hingewiesen worden.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kaufpreis in Höhe von 35.670,00 € Zug um Zug gegen Rücknahme des PKWs Opel Zafira, Fahrgestell-Nummer W0LPE9EE3D2039666 an die GMAC Leasing GmbH, Stahlstraße 34, 65428 Rüsselsheim zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, ein Verbrauchsgüterkauf liege nicht vor, der Kläger habe das Fahrzeug für die von ihm als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Rechtsanwaltskanzlei zu deren Gesamthandsvermögen erworben. Ein Mangel des Fahrzeugs liege nicht vor. Hinsichtlich der Sitze schulde die Beklagte ein FIex7Plus-Sitzsystem, Komfortsitze mit sportlicher Stilistik, Ergonomiesitze mit Gütesiegel AGR jedoch ohne verstellbare Kopfstützen, die Ausstattung entspreche der Bestellung, Konstruktion und Verstellmöglichkeiten entsprächen modernster Technik. Eine besondere Beschaffenheitsvereinbarung sei nicht getroffen, zumindest liege kein erheblicher Mangel vor. Offensichtlich habe der Kläger nicht Probe gesessen, ansonsten hätte er feststellen können, dass er nicht angenehm sitzen könne. Bezüglich des Gastankvolumens von 25 kg habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass bei Vertragsschluss eine entsprechende Beschreibung des Fahrzeugs vorgelegen habe. Für die angegebene Füllmenge seien bestimmte Bedingungen bezüglich Luftdruck und Temperatur angegeben, ein Mindervolumen liege nicht vor, jedenfalls sei ein Mangel nicht erheblich. Die Anlage K 29 sei vom Kläger erst im Laufe des Prozesses ausfindig gemacht worden und bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen, sodass diese Werbeaussage nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Weiter sei die Beklagte selbst für die Mitteilung in der Anlage K 29 nicht verantwortlich, es handele sich um eine öffentliche Äußerung des Herstellers im Sinne des Produkthaftungsgesetzes. Von den Geschäftsführern der Beklagten könne deren Kenntnis nicht erwartet werden. Das Telefonsystem sei mit allen wichtigen Funktionen ausgestattet, um das Mobiltelefon sicher und komfortabel im Lenkrad mittels Sprachsteuerung zu nutzen. Eine Speicherkapazität von 1000 Adressen sei für die gewöhnliche Verwendbarkeit bzw. für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung ausreichend. Beim Klageantrag müssten die vom Kläger zurückgelegten Kilometer als Nutzung abgezogen werden. Bei einer voraussichtlichen Gesamtfahrleistung von 200.000 km seien damit 0,5% des Kaufpreises je gefahrene 1000 km abzuziehen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-lng. Stephan Schaible vom 21.5.2014 (Blatt 61/112 der Akte), welches dieser am 31.10.2014 schriftlich ergänzt hat (Blatt 123/130 der Akte). Im Einverständnis der Parteien hat das Gericht gemäß Beschluss vom 13.7.2015 Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Kläger hat aufgrund eines Mangels des streitgegenständlichen Fahrzeugs Anspruch auf Wandelung das Kaufvertrages, jedoch unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung für
den Umfang der gezogenen Nutzung. Soweit infolge der Rückabwicklung auch der verbundene Leasingvertrag rückabzuwickeln ist, hat der Kläger zwar einen Antrag bezüglich der Leasingraten angekündigt, nicht aber gestellt, sodass er insoweit auf die eigene Geltendmachung gegenüber der Leasinggesellschaft zu verweisen ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt am streitgegenständlichen Fahrzeug ein
Mangel dergestalt vor, dass das Volumen des Gastanks nicht demjenigen der öffentlichen Werbeaussage gemäß Anlage K 29 entspricht. Nach der gebotenen Auslegung des Inhalts dieser Werbeaussage - bezogen auf den angegebenen Gasvorrat von 25 kg - im Zusammenhang mit der in der darüberliegenden Zeile enthaltenen angegebenen Reichweite von 530 km und in der im Text explizit ausgeführten Darlegung, wonach die auf 530 km gesteigerte Gas-Reichweite einer Verbesserung von rund 25% im Vergleich zum Vorgänger entspreche und dies im Wesentlichen auf ein neues Leichtbau-Tanksystem mit 25 statt 21 kg Fassungsvermögen zurückzuführen sei, besteht kein Zweifel, dass für den objektiven Leser aus seiner Sicht zur Erreichung der vergrößerten Reichweite eben ein Gasvorrat von 25 kg zur Verfügung steht. Diese Werbeaussage ist weder unter einer Einschränkung dahingehend gemacht, dass das Fassungsvermögen nur bei optimalen Umweltbedingungen von 200 bar/15°C erreicht werden kann, noch kann der Aussage entnommen werden, dass entsprechend der Argumentation der Beklagten eine vollständige Entleerung des Gastanks nicht möglich ist und daher das System trotz einer gewissen Restgasmenge in den Gastanks in den Benzinbetrieb umschaltet. Inhalt dieser Werbeaussage ist damit eindeutig, das zum Erreichen des erweiterten Aktionsradius von 530 km ein Gasvorrat von 25 kg zur Verfügung steht.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat dieser bei Überprüfung des Fahrzeugs eine Betankung mit dieser Gasmenge nicht erreichen können, vielmehr wurden Werte von 23,53 kg bzw. 21,27 kg (entspricht im Durchschnitt 22,4 kg) erreicht. Dies entspricht auch in etwa denjenigen Mengen, die der Kläger als Betankungsmenge in seinem vorgelegten Fahrtenbuch dokumentiert hat, wobei die ermittelte Menge bei im Durchschnitt 89,6% des beworbenen Gasvorrats liegt. Gegen die Verwendung der sachverständigen Feststellungen bestehen keine Bedenken, auch nicht, soweit die Beklagte einwendet, mit dem Hinweis auf eine 80%-ige maximale Befüllung gemäß Angabe in der Betriebsanleitung habe der Sachverständige auf eine für das vorliegende Modell nicht zutreffende Angabe Bezug genommen. Diese Erläuterung des Sachverständigen hat keine technische Bewertung des tatsächlich vorgefundenen Ist-Zustandes zum Gegenstand, sondern stellt lediglich eine allgemeine Erwägung zur Darstellung in der Betriebsanleitung dar. Grundlage der Entscheidung ist allein der festgestellte Ist-Zustand, welcher an der Werbeaussage zu messen ist, dem falsch gezogenen Schluss, gegenüber einer 80% Befüllung des Tankes seinen Mindermengen in der Befüllung nicht feststellbar, ist dagegen nicht zu folgen. Soweit die Beklagte weiter einwendet, der Sachverständige hätte zur Feststellung der
Betankungsmenge zunächst den Gastank in einer Werkstatt vollständig entleeren müssen, steht dies den Feststellungen des Sachverständigen nicht entgegen. Diese Argumentation aus Sicht der Beklagten setzt voraus, dass ein bestimmter Anteil des Gasvorrats unter technischen Aspekten gerade nicht als Antriebsgrundlage für den Gasbetrieb zur Verfügung steht, der Gasvorrat aus technischen Gründen also von vornherein eingeschränkt ist. Dieser Standpunkt ist jedoch mit dem eindeutigen Inhalt der Werbeaussage nicht zu vereinbaren und somit die entsprechende Vorgehensweise des Sachverständigen nicht geboten. Für diesen Standpunkt, dass die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, vor einer entsprechenden Anpreisung selbstverständlich abweichen zu dürfen, wenn die technischen Voraussetzungen zur Erfüllung nicht gegeben sind, besteht damit keine Berechtigung.

Bei der Veröffentlichung vom 9.12.2011 gemäß Anlage K 29 anlässlich des Genfer Autosalons 2012 handelt es sich um eine öffentliche Äußerung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB. Folge hiervon ist, dass die Beklagte sich diese Äußerung unter den genannten Voraussetzungen zurechnen lassen muss, auch wenn sie vom Hersteller oder durch die "media.opel.com" als dessen Medienbeauftragten herrührt (unten in § 4 Abs. 1 und 2 Produkthaftungsgesetz). Insoweit wird die Soll-Beschaffenheit der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung um die derart angepriesene Eigenschaft erweitert, deren Vorliegen der Käufer erwarten darf. Ausnahmen hiervon, die der Beweislast des Verkäufers und damit der Beklagten unterliegen, sind dann gegeben, wenn die Beklagte keine Kenntnis von der Äußerung hatte und diese Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht und die öffentliche Äußerung den Entschluss, die betreffende Sache zu kaufen, nicht beeinflussen konnte. Diese Voraussetzungen sind im streitgegenständlichen Fall nicht gegeben. Soweit die Beklagte von der entsprechenden Veröffentlichung und deren Inhalt keine Kenntnis hatte, beruht diese Unkenntnis jedenfalls auf Fahrlässigkeit. Der Beklagten als Vertragshändler war es zuzumuten, sich im Vorfeld des Genfer Autosalons, bei der es sich um eine bekannte, anerkannte und große Automesse handelt, Kenntnis bezüglich der Veröffentlichungen des Herstellers zu Neuerungen zu verschaffen. Besondere Hindernisse, die dem entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Vermutung der Beklagten, der Kläger habe von diesem Artikel erst im Laufe dieses Rechtsstreits Kenntnis erlangt, ist nicht geeignet, den fehlenden Einfluss der öffentlichen Äußerung auf den Kaufentschluss zu beweisen. Insofern ist nicht ausreichend, eine fehlende Ursächlichkeit zu behaupten, Gegenstand des Beweises ist vielmehr, dass ein Einfluss auf die Kaufentscheidung ausgeschlossen ist. Dieser Beweis ist, ähnlich wie ein Negativbeweis, schwierig zu führen und bedeutet vorliegend, das zu beweisen ist, dass der Kläger keine Kenntnis von diesem Artikel als Grundlage für seinen Kaufentschluss haben konnte.

Der Rückabwicklung des Kaufvertrages steht ebenfalls nicht die von der Beklagten geltend gemachte Geringfügigkeit der Abweichung von der Soll-Beschaffenheit entgegen. Insoweit
bezieht sich die Beklagte auf die Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2007, 2111) wonach ein Kraftstoffmehrverbrauch von weniger als 10% mangels Erheblichkeit nicht zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Zunächst ist zu sehen, dass seitens des Klägers nicht ein Kraftstoffmehrverbrauch gerügt ist, sondern ein zu geringes Fassungsvermögen des Gastanks. Zwar besteht insofern ein Zusammenhang dahingehend, dass die Reichweite einer Tankfüllung auch von der Größe des Gasvorrats abhängt. Ein geringerer Gasvorrat bedeutet jedoch nicht zwingend, dass damit auch der Verbrauch von Gas pro 100 km steigt, vielmehr hat dies lediglich Auswirkung auf die mögliche Reichweite. Die entsprechende Rechtsprechung mit der Vorgabe der 10%-Grenze kann damit auf den vorliegenden Mangel nicht angewendet werden. Vielmehr ist im Einzelfall abzuwägen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände der vorliegende Mangel als erheblich zu beurteilen ist. Im Rahmen dieser Abwägung ist damit vor allem zu sehen, dass das größere Tankvolumen im Vergleich zum Vorgängermodell als besonderer Vorteil des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells seitens des Herstellers hervorgehoben worden ist. Damit ist auch seitens der Beklagten bzw. des Herstellers gerade auf diese Beschaffenheit des Fahrzeugs besonderer Wert gelegt worden, so dass es treuwidrig ist, wenn sich die Beklagte insoweit auf eine Geringfügigkeit der Abweichung beruft.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZFO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Die Nutzungsentschädigung als anzusetzender Vorteilsausgleich wurde mangels Angabe des Kilometerstandes zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung geschätzt gemäß § 287 ZPO. Grundlage hierfür sind die gemäß Gutachten ausgewiesenen gefahrenen Kilometer zwischen der Zulassung am 16.1.2013 und Besichtigung am 15.2.2014 von 26 988 km, d.h. monatlich 2076 km. Bei einer geschätzten Gesamtfahrleistung von 200 000 km ist pro Tausend gefahrene Kilometer damit ein Betrag von 0,5% des Kaufpreises, somit 178,35 € zugrundezulegen, so dass sich eine geschätzte Entschädigungsleistung in Höhe von rund 11.500,00€ (rund 1/3 des Kaufpreises) ergibt.

gez.
Richterin am Landgericht

Verkündet am 20.08.2015


D7/D1857-15


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