Rechtsanwältin

Strater-Neuhaus


Pflichtteil Erbrecht

Der Pflichtteilsanspruch ist eine schuldrechtlie Forderung gegen den
Nachlass, der immer dann eingreift, wenn der Erblasser durch
Testament einen nahen Angehörigen von der Erbfolge nach seinem Tod
ausschließt. Insoweit ist der Erblasser durch das gesetzliche
Pflichtteilsrecht in seiner Testierfreiheit eingeschränkt. Der im
Testament von der Erbfolge ausgeschlossene nächste Angehörige wird
zwar nicht Erbe, er erwirbt jedoch einen Geldanspruch gegen den oder
die Erben. Pflichtteilsberechtigt sind dabei die Abkömmlinge auch
angenommen Kinder des Erblassers, der Ehegatte, die Eltern des
Erblassers und mit auch der überlebende Partner einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft. Nicht anspruchsberechtigt sind hingegen die
Geschwister des Erblassers sowie weiter entfernt Verwandte.

Voraussetzung für ein Entstehen des Pflichtteilsrechts ist zunächst,
dass ein an sich Pflichtteilsberechtigter durch ein Testament von der
Erbfolge ausgeschlossen wurde. Eine solche Enterbung kann entweder
ausdrücklich oder auch konkludent, in dem der Erblasser eine andere
Person zum Erben benennt bzw den Enterbten schlicht nicht erwähnt.
Eltern sowie entferntere Abkömmlinge des Erblassers sind darüber
hinaus dann nicht pflichtteilsberechtigt, wenn ein Abkömmling, der sie
im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil
verlangen kann oder eine Zuwendung aus dem Nachlass erhält, die
seinem Pflichtteil betragsmäßig zumindest entspricht.

Unter sehr engen Voraussetzungen ist es auch möglich, den nächsten
Verwandten und damit Pflichtteilsberechtigten ihren Pflichtteil komplett
zu entziehen und sie damit zur Gänze zu enterben.

Der Höhe nach beläuft sich der Pflichtteil auf die Hälfte des Wertes des
gesetzlichen Erbteils des Betroffenen. Um den Pflichtteil wertmäßig
berechnen zu können, muss man zunächst der Wert der kompletten
Erbschaft ermitteln und gleichzeitig feststellen, wie hoch der
gesetzliche Erbteil des (enterbten) Pflichttteilsberechtigten gewesen
wäre.

Hat der Pflichtteilsberechtigte schon zu Lebzeiten des Erblassers
Vermögenswerte von diesem bekommen, kann dies seinen
Pflichtteilanspruch schmälern.

Um zu verhindern, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten sein
Vermögen ganz oder in Teilen an Dritte verschenkt und auf diesem
Weg den Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich entwertet, kennt das Gesetz
einen so genannten Pflichtteisergänzungsanspruch. Relevant sind
hierbei Schenkungen des Erblassers während der letzten zehn Jahre
vor dem Erbfall.

Die Pro-rata-Regelung gemäß §2325 III BGB bewirkt, dass eine
lebzeitige Schenkung des Erblassers mit jedem bis zum Erbfall
verstrichenen Jahr um jeweils 1/10 ihres Wertes von der
Pflichtteilsergänzung ausgeschlossen wird. In gleichem Maße wird der
Erbe wirtschaftlich begünstigt, da seine Inanspruchnahme sukzessive
abnimmt und die betroffene Schenkung mit Zeitablauf zunehmend in
sein Vermögen integriert wird.


Wie lange dauert es, bis der Pflichtteil ausgezahlt wird, hängt von vielen
Faktoren ab. Der Anspruch auf den Pflichtteil wird grundsätzlich in dem
Moment fällig, in dem der Erblasser verstirbt. Der Pflichtteilsberechtigte
kann vom Erben sofortige Zahlung verlangen. Der
Pflichtteilsberechtigte muss allerdings selber aktiv werden, um zu
seinem Recht zu kommen. Die Tatsache, dass § 2317 Abs. 1 BGB das
Entstehen des Pflichtteilanspruchs unmittelbar mit dem Erbfall
anordnet, bedeutet nicht, dass der Erbe etwa verpflichtet wäre,
möglichst zeitnah auf den Pflichtteilsberechtigten zuzugehen und
diesem den Pflichtteil auszuzahlen.

Nach Eintritt des Erbfalls vergehen in der Regel einige Tage bis
Wochen, bis das Testament vom Nachlassgericht eröffnet wird. Diese
Zeit muss der Pflichtteilsberechtigte in jeden Fall abwarten. Um den
Pflichtteilsanspruch beim Erben einfordern zu können, benötigt der
Pflichtteilsberechtigte Informationen über die Werthaltigkeit des
Nachlasses. Das Gesetz billigt dem Pflichtteilsberechtigten in § 2314
BGB einen umfassenden Auskunftsanpruch gegen den Erben zu.

Eine erhebliche zeitliche Verzögerung muss der Pflcihtteilsberechtigte
schließlich dann einkalkulieren, wenn der Erbe von seinem Recht nach
§ 2331a BGB Gebrauch macht und bei Gericht die Stundung des
Pflichtteilanspruchs beantragt. Ein solcher Antrag auf Stundung durch
den Erben ist immer dann erfolgreich, wenn die sofortige Erfüllung des
Pflichtteils für den Erben eine unbillige Härte darstellt. Eine solche
Härte wird man zum Beispiel dann annehmen können, wenn der
Familienwohnsitz vom Erben verkauft werden muss, nur um
Pflichtteilsansprüche zu befriedigen.

Mit welcher Klage kann der Pflichtteil vor Gericht gegen den Erben
geltend gemacht werden, hängt davon ab, ob der Pflichtberechtigte
bereits über die sämtliche Informationen verfügt, die er zur Bezifferung
seines Anspruchs benötigt, dann kann er beim örtlich zuständigen
Gericht eine einfache Zahlungsklage einreichen lassen.

Häufiger wird von einem Pflichtteilsberechtigten jedoch eine so
genannte Stufenklage erhoben. In der ersten Stufe macht der
Pflichtberechtigten als Kläger zunächst seinen Auskunftsanspruch
hinsichtlich Bestand und Werthaltigkeit des Nachlasses geltend, um
sich Informationen zu verschaffen. In einer zweiten Zwischenstufe
kann er bei Gericht gegebenenfalls beantragen, dass der Erbe die
Richtigkeit seiner Auskünfte an Eides statt versichern soll. In der dritten
Stufe kann der Pflichtteilsberechtigte schließlich auf Grundlage der
erhaltenen Informationen einen bezifferten Anspruch geltend machen.

Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt innerhalb der gesetzlichen
Regelverjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Vor Ablauf
dieser Dreijahresfrist muss der Pflichtteilsberechtigte entsprechende
Maßnahmen in die Wege leiten, um am Ende nicht gänzlich leer
auszugehen.

© ra-online GmbH, 2001-2014