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30.06.2005: Gebührenbescheide der BVG gegen Falschparker sind rechtswidrig!

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 28.06.2005 wurde entschieden, dass die BVG keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Auslagen gegen Falschparker im Haltestellenbereich hat. Die Klage der BVG gegen einen Falschparker, der sich anwaltlich von der Rechtsanwaltskanzlei Handschumacher-Limbeck vertreten ließ, hatte keinen Erfolg. Das Gericht führte aus, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Verkehrssicherheit zuständige Polizeibehörde habe sich „selbst ein Bild von der konkreten Situation vor Ort zu machen und das ihr hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen zustehende Ermessen gem. §§ 11, 12 ASOG Bln möglichst sachgerecht auszuüben.“ Die Polizeibehörde dürfe ihre hoheitlichen Aufgaben nicht auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen übertragen, die telefonische Lagebeurteilung auch nicht ungeprüft übernehmen.

Seit einiger Zeit beschäftigt die BVG in Berlin sogenannte „Haltestellenbetreuer“. Diese – sogar mit Dienstfahrzeugen ausgestatteten - Mitarbeiter kontrollieren während ihrer gesamten Arbeitszeit die Bushaltestellen der BVG in ganz Berlin. Und entlasten so die unterbesetzten Polizeibehörden. Parkt ein PkW im Haltestellenbereich und wird dieser Parkvorgang vom Haltestellenbetreuer entdeckt, so nimmt der Haltestellenbetreuer telefonisch Kontakt mit der Polizei auf, welche dann, ohne sich selbst vor Ort ein Bild zu machen, ein Abschleppunternehmen beauftragt und ein entsprechendes OWiG- Verfahren gegen den Halter des PkW in Gang setzt. Auf den PkW-Halter kommen dann die in der Polizeibenutzungsgebührenordnung des Landes Berlin (PolBenGebO) festgesetzten Gebühren für den Abschleppvorgang sowie ein Bußgeldbescheid zu. Anschließend erhält der Halter auch noch einen Gebührenbescheid der BVG, die ihre Auslagen für den Haltestellenbetreuer (45 Minuten Dienstzeit, Anmietung Kfz, Halteranfragegebühren etc) ersetzt verlangt.

Die Verfolgung von Verkehrsverstößen sowie das Abschleppen von PkW im öffentlichen Straßenraum ist eine rein hoheitliche Tätigkeit, die in einem Rechtsstaat nur die zuständigen Behörden und keine Privat-Sheriffs wahrnehmen dürfen. Die Mitwirkung von Privatfirmen und ihren Beschäftigten bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs durch Erforschung und Feststellung von Verkehrsverstößen verstößt sogar gegen die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 und Art. 33 Abs.4 GG). Die Schnittstelle zwischen dem selbstverständlichen Recht eines jeden Bürgers zur Anzeigenerstattung und der gesetz- und verfassungswidrigen Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private wird hier überschritten. Als typische Hoheitsaufgabe gehört die Verfolgung und Ahndung bloßer Ordnungswidrigkeiten zum Kernbereich hoheitlicher Staatsaufgaben. Dies gilt hier ganz besonders, als dass die Gefahr von Fehlentscheidungen des Haltestellenbetreuers zu Lasten des Bürgers erheblich erscheint: der Haltestellenbetreuer der BVG wird schnell dazu neigen, einen Abschleppvorgang in Gang zu leiten, um nur die Busspur für seinen Dienstherrn frei zu bekommen. Das Abschleppen im öffentlichen Straßenraum ist aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig. Selbst wenn ein Parkverstoß vorliegt, kann das Abschleppen unverhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss bei Eingriffen in Rechte des Bürgers immer gewahrt werden und zwar durch die zuständige Polizeibehörde.

Aufgrund des Urteils des AG Schöneberg erscheint es – auch mit Blick auf das Urteil des Kammergerichts Berlin zur privaten Parkraumbewirtschaftung (KG, Beschluss v.23.10.1996 -2 Ss 171/96 3 Ws (B) 406/96 (304 a Owi 467/96)) - höchst wahrscheinlich, dass der gesamte Abschleppvorgang wegen der Mitbeteiligung des Haltestellenbetreuers von den Gerichten als rechtswidrig beurteilt wird. Zudem erscheint die vom Polizeipräsidenten erlassene Gebührenverordnung rechtswidrig zu sein, soweit sie bei den Gebühren unterscheidet zwischen Abschleppvorgängen mit Beteilung der Haltestellenbetreuer der BVG und Abschleppvorgängen ohne Beteiligung der Haltestellenbetreuer.
Dieses Urteil wird auch Auswirkungen auf die gängige Praxis in München haben.

Falschparker im Haltestellenbereich haben daher gute Aussichten, weder den Gebührenbescheid für das Abschleppen, noch den Bußgeldbescheid, noch den Gebührenbescheid der BVG zahlen zu müssen. Sie sollten bereits gleich nach Erhalt des Gebührenbescheides der Polizei für den Abschleppvorgang einen Anwalt konsultieren.

Aktenzeichen: AG Schöneberg, Urt. v. 28.6.05,Az.: 15 C 45/05

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